65 Jahre Staatsvertrag
- 102 Jahre Republik.
"Österreich
ist Frei ..." Verkündete der damalige
österreichische Außenminister Leopold Figl am 15. Mai
1955 und zeigte
einer schier unüberschaubaren Menge stolz den soeben von den vier
Siegermächten
unterzeichneten Staatsvertrag vom Balkon des Schloss Belvedere.
Der
Verfasser dieser Zeilen war grade mal 15 Jahre alt geworden, saß
im überfüllten
Kinosaal und lauschte dem Bericht der Austria Wochenschau, die das
freudige
Ereignis in sensationellen Schwarz/Weißbildern kommentierend,
verkündete. Dann
kam der Augenblick, wo der Herr Außenminister die ob zitierten,
historischen
Worte sprach und der begeistert jubelnden Menge stolz die Vertragsakte
zeigte.
Jubel auch im gerammelt vollen Kinosaal ... Begeisterung ... Die
über die
Kinoleinwand huschenden Bilder laut akklamierend ...
Zehn
lange Jahre musste das österreichische Volk auf diesen Augenblick
warten. Und
nun sind 65 Jahre um, seit Kriegsende sogar 75 Jahre. Der Autor
erinnert sich
zurück: „... Stundenlang zog das geschlagene deutsche Heer durch
unser kleines
Dorf. Wiesen und Straßenränder waren übersät von
eilig weggelegtem Kriegsgerät
und -material. Für uns Jungs - damals grad erst 6 Jahre alt
geworden - eine
wahre Fundgrube, jedoch zeitweise mehr als gefährlich. Wurde uns
von den schon
etwas älteren Buben doch gezeigt, wie man die Kugel von einer
Patrone entfernt,
das Pulver schlangenförmig verteilt und anzündet. Huii, das
gab ne ordentliche
Stichflamme. Oder: Eine Gewehrpatrone auf einen Baumstrunk aufsetzen,
und mit
einem Hammer draufschlagen, dass sich die Kugel mit einem dumpfen Knall
in den
Strunk bohrte. Einmal standen wir Dorfbuben reihum um den alten
Steineder,
einem betagten, ehemaligen Tischlermeister. Der hatte im Dorfpark eine
Eierhandgranate gefunden und zog mehrmals fest an der aus dem
Explosivkörper heraushängenden
Kette. Damals stand sicher ein Schutzengel neben uns, dass die Granate
nicht
explodierte. Ein anderer alter Mann - der Hofer Hans - hatte weniger
Glück. Der
wollte sich nämlich aus einer Eierhandgranate einen Pfeifendeckel
schmieden.
Als er mit dem Hammer draufschlug, explodierte die Granate und der Mann
stand
ohne seinen rechten Arm da. Einmal wurde ich Zeuge einer beinahe
Hinrichtung.
Unser Dorf war von den Russen besetzt. Eines Abends belästigten
einige
Besatzungssoldaten ein junges Mädchen. Drei schon etwas
ältere Burschen (für
Gußwerker Insider: Es waren dies der Schimmer Sepp, der Reitbauer
Maxi und der
Reiter Fritz), kamen der bedrängten Maid zu Hilfe und
verprügelten die Russki
nach allen Regeln steirischer Kampfeskunst ...grins. Dafür wurden
die Drei aber
am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrüh aus ihren Betten
geprügelt und wie
Tiere, mit gemeinen Tritten in den Unterleib auf den Dorfplatz
getrieben, dort
an eine Hauswand gestellt. Entsetzt musste ich zusehen, wie die
Besatzungssoldaten
ihre Maschinenpistolen hoben und auf die drei Burschen zielten. Da kam
ein Jeep
angebraust, ein Offizier sprang aus dem Fahrzeug und schrie wild
gestikulierend
auf die Soldaten ein. Daraufhin senkten sie ihre Gewehre, rissen die
drei
Burschen von der Wand weg und trieben sie mit gemeinen Tritten
und
Gewehrkolbenhieben quer durch das Dorf. Blutend und völlig
zerschunden retteten
sich die Drei schließlich in die Kirche. Sie überlebten.
Neben
diesen eher düsteren Erinnerungen, ist noch eine Begebenheit
erfreulicherer Art
im Hirnkastl geblieben, die jedoch erst später bewusst als positiv
in nämlichem
Kastl registriert wurde. Wir Jungs spielten gerade im Dorfpark, als der
oberste
Ordnungshüter, Herr Gendarmerie Inspektor Fröhlich
vorüberging. Sofort standen
wir stramm, streckten den rechten Arm schräg in die Höhe und
riefen: 'Heil
Hitler, Herr Inspektor’ ... Da dreht sich der Gendarm um, kam auf uns
zu,
beugte sich zu uns herab und sagte mit feierlicher Miene: 'Ich dank
euch Buben.
Aber ab Heute heißt das "Grüß Gott."
Am
26. Oktober, dem Nationalfeiertag, gedenkt ganz Österreich in
verschiedenen Veranstaltungen - die wegen der Corona Krise heuer wohl
eher
dürftig ausfallen werden - jener Zeit, die uns vor 65 Jahren
die Freiheit
bescherte ... Eine Freiheit, die (hoffentlich) und bedingt durch immerwährende
Neutralität, auf ewige Zeiten halten wird. Vor 65 Jahren, am
26. Oktober
1955 hat der letzte Besatzungssoldat unser Land verlassen.
Vor 102 Jahren
endete
der 1. Weltkrieg, damit auch die Monarchie und das einstige
Habsburgerreich wurde
zur Republik Österreich. Neben zahlreichen Feierlichkeiten der
Obrigkeit
gedenkt man am heurigen Nationalfeiertag in Corona bedingt etwas
abgespeckten
Feierstunden an jene denkwürdige geschichtsträchtige Zeit,
als vor 102 Jahren
aus der Monarchie eine Republik wurde. Und noch einer
Denkwürdigkeit erinnert
man sich, was insbesondere jetzt während der Coronakrise nicht
ganz ohne Bedeutung
ist: Vor genau 100 Jahren, am 1. Oktober wurde das
Bundesverfassungsgesetz,
womit die Republik Österreich als Bundesstaat eingerichtet
worden
ist, beschlossen.
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