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Prisoner of War schildert die Erlebnisse eines deutschen Landsers, der drei Jahre in amerikanischer und -englischer Kriegsgefangenschaft verbrachte, obwohl er keinen einzigen Gewehrschuss abgefeuert hat.

Hans Wunderlich wird, obwohl wehruntauglich, in den deutschen Volkssturm einberufen, wo er nach kurzem Fronteinsatz in amerikanische Kriegsgefangenschaft gerät. Während seiner fast dreijährigen Gefangenschaft in amerikanischen und englischen Lagern, lernt er harte Fronarbeit kennen, begegnen ihm Hass und Gewaltbereitschaft, aber auch Gefühls- und Herzenswärme. Nachhause heimgekehrt, findet er doch noch sein vermeintlich verlorengegangenes Glück.

 

Leseprobe Prisoner of War

Bange Momente … Todesangst … Nackte Furcht vor der Ungewissheit … Führerloses umherirren in einer zerstörten Stadt. Die fensterlosen Hausruinen tragen das Ihrige bei, dies gespenstisch makabre Szenario noch zu erhöhen. Hans Wunderlich gesteht sich unumwunden ein, am liebsten ganz schnell davonlaufen zu wollen. Einfach nur davonrennen, mitten hinein in eine bessere Welt flüchten. Das wäre sein sehnlichster Wunsch, könnte er sich den Gedankengang erfüllen. Was kann er und seinesgleichen, was können die alten Männer, die verwundeten ausrangierten Soldaten, was will der sogenannte selbstherrlich benannte Volkssturm jetzt noch ausrichten? Das Volk stürmt … Volk ans Gewehr … Klingt heldenhaft. Die Verteidiger des Heimatbodens … Mitstreiter für den Endsieg? Halbe Kinder und alte Männer? Wie soll man die Bomber da oben, die unbarmherzig Bombenlast über Bombenlast ohne Ende auf sein schönes Land werfen, bekämpfen? Das schwache Flakfeuer, diese nur mehr sporadisch aufflackernde Gegenwehr wirkt doch ähnlich wie der berühmte Tropfen auf den heißen Stein! Ist doch faktisch für die Katz. Sind nur noch Kanonenfutter, diese letzten Reservisten ohne Stahlhelm, mit der roten Binde am linken Arm. ‘Deutscher Volkssturm ­- Wehrmacht‘, steht großspurig auf der Armbinde. Die alles entscheidende Reserve, der er nun auch angehört. Notdürftig bewaffnet und schlecht ausgebildet. Lebende Zielscheiben. Schießbudenfigur wäre da noch ein ähnlich passender Ausdruck. Wie sonst soll man den ungleichen Kampf gegen die überlegen anrückenden Alliierten auch sonst nennen! Während der dreiwöchigen Ausbildung im Münsterland drillte man ihm ein: Deckung, schießen; auf, laufen, Deckung, schießen. Die Realität sieht anders aus. Ja, laufen ist nicht schlecht, aber davonlaufen.

An der gegenüberliegenden Häuserfront entsteht eine Bewegung. Peng. Unmittelbar neben ihm muss die Kugel eingeschlagen haben. Mörtelstaub spritzt dem Jungen ins Gesicht, lässt nicht nur die umliegende Gegend sekundenlang grau erscheinen. Indes hat sich der Querschläger, unangenehm laut an seinem rechten Ohr vorbei sirrend, seitlich hinten in eine halb zerbrochene Fensterscheibe gebohrt. Die wiederum geht klirrend endgültig zu Bruch. Für Sekundenbruchteile setzt sämtliche aktive Denkweise aus, lähmt dumpfe, würgende Angst. Hans Wunderlich will zwar nicht sagen, dass er in die Hosen gemacht hat, das Gefühl dem Sensenmann gerade noch von der Schaufel gerutscht zu sein kann er dennoch nicht leugnen. Schienen urplötzlich überall zu sein, die Amis. Schlichen heran, wie beutegierige Raubtiere.

„Hands up!“ Die fremdartig klingende Stimme hinter seinem Rücken, lässt den jungen Mann jäh erstarren. Ergeben, mit geschlossenen Augen den Fangschuss erwartend, hebt er die Arme.

„Put down!“ Vordem nicht ein Wort der englischen Sprache mächtig, ist ihm Hands up noch ein Begriff. Aber Put down? Ein derber Tritt in den Allerwertesten, und er erahnt zumindest das Vokabular, indes er sich laut stöhnend auf dem Boden wiederfindet. Dieses feige Schwein. Die hinterlistige Stiefelattacke schmerzt höllisch.

Der Fronteinsatz hat gerade mal drei Tage gedauert, ohne dass er dazugekommen wäre, auch nur einen einzigen Gewehrschuss abzufeuern, und ist im Moment des Stiefeltrittes auch schon wieder beendet. Wie einst der Don Quichote liegt er da im Schmutz der Straße. Die Stiefelspitze bohrt sich ein weiteres Mal in seine Leisten. Mit schmerzverzerrtem Gesicht dreht sich Hans Wunderlich auf den Rücken, blickt geradewegs in die Mündung einer Maschinenpistole. Der Verschluss knackt. Doch dann schiebt ein Arm die schon zum tödlichen Schuss erhobene Waffe beiseite. „No, it's a Child.“

Der Gewehrlauf senkt sich nur zögernd. Man zerrt ihn hoch. Durch schmerzhafte Kolbenhiebe dirigiert, findet er sich wenig später in einer Gruppe blutjunger Leute wieder, die da mit hoch erhobenen Händen irgendwie verloren am Straßenrand stehen. Das letzte Aufgebot. Der klägliche Rest des vielgepriesenen Dritten Reiches. Kindersoldaten. Jugendliche, kaum den Kinderschuhen entwachsen, und alte Männer. Umringt von schwerbewaffneten Soldiers der amerikanischen Armee, die mit dem Gewehr im Anschlag auf sie zielen.

Ständig kommen neue, zerlumpte, teils blutig zerschundene Gestalten hinzu, werden wie eine Herde Vieh, durch Kolbenhiebe dirigiert, zusammengetrieben. Infolge vergrößert sich die Gruppe menschlichen Strandgutes. Wächst schon bald zu einer unübersehbaren Menschenmenge an.